Die Stadt Geraardsbergen feiert an einem Tag gleich zweifach: das Krakelingen- und Tonnekensbrand-Fest. Das jahrhundertealte Doppelfest wurde im Jahr 2010 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.
In den ältesten erhaltenen Büchern der Stadt (1393) werden bereits die Kosten für das Tonnekensbrand-Fest erwähnt. Dieses Fest wurde schon seinerzeit von der Stadtverwaltung organisiert und bereits zu jenen Zeiten als „alter Brauch bezeichnet. Seit damals sind in den Büchern der Stadt ununterbrochen Nachweise für sowohl das Krakelingen- als auch das Tonnekensbrand-Fest zu finden. Ausnahmen hiervon gab es nur während der Glaubenskriege im 16. Jahrhundert und während des Ersten und Zweiten Weltkrieges.
Historischer Umzug
Um 15 Uhr beginnt an der romanischen Kirche von Hunnegem ein historischer Umzug, der ein lebendiges Bild der etwa 25 Jahrhunderte der Stadtgeschichte vermittelt. Angeführt wird der Umzug vom Dekan und den Mitgliedern der Stadtverwaltung in historischen Trachten. Ihnen folgen die etwa 1.000 Teilnehmer, größtenteils örtliche Freiwillige aus den Schulen und Vereinen der Stadt, die sich jedes Jahr als Figuranten an diesem historischen Umzug beteiligen. Historische Tatsachen werden mit Sagen um den Ursprung der Feste verbunden. Der Umzug hat jedes Jahr ein neues Thema mit neuen Elementen.
Krakelingenwurf (im Volksmund „Mastellenworp)
Am Ende des Umzugs ziehen die Druiden, der Dekan, die Mitglieder der Stadtverwaltung, die Brotkorbträger und Tausende von Zuschauern zur Spitze des Oudenberg (110 Meter).
Der Dekan betet in der Oudenberg-Kapelle zusammen mit den Mitgliedern der Stadtverwaltung zur Unseren Lieben Frau. Währenddessen stellt sich die Menge um das Podium, um möglichst viele Krakelingen zu fangen. Bevor jedoch die etwa 5.000 Krakelingen (im Volksmund „Mastellen genannt) geworfen werden dürfen, müssen der Dekan, der Bürgermeister, die Schöffen und die Mitglieder des Gemeinderats aus einem 400 Jahre alten silbernen Kelch Wein trinken, in dem sich ein lebender Fisch befindet.
Dann erst beginnt das eigentliche Kringelwerfen. In eines dieser Gebäckstücke ist ein kleiner Gutschein für einen Krakeling aus Gold eingebacken, der das Recht auf den goldenen Kringel verleiht: ein einzigartiges Juwel in Form des berühmten Gebäckstücks, das jedes Jahr von einem anderen örtlichen Juwelier entworfen wird.
Nach dem Wurf können sich alle für ein paar Stunden auf dem Jahrmarkt im Stadtzentrum entspannen.
Tonnekensbrand, ein Feuerfest
Um 20 Uhr wird oben auf dem Oudenberg eine Strohpuppe angezündet. Damit soll der Winter vertrieben und der Frühling begrüßt werden. Währenddessen sorgen Volkstänzer für Stimmung. In einigen umliegenden Gemeinden wird der Tonnekensbrand mit einem kleinen Feuer „beantwortet, Walmkenbrand genannt. Auf dem Oudenberg werden brennende Fackeln verteilt, die das Feuer zum Marktplatz tragen, wo sich die Jahrmarktkarussells drehen.
Symbolik
Das doppelte Fest umfasst sowohl christliche (z. B. die Rolle des Dekans) als auch vorchristliche Elemente (Feuer, lebende Fische, Brot, Zeitpunkt). Die vorchristlichen Elemente gehen vermutlich auf die keltische Periode zurück. Ein Krakeling ist ein ringförmiges Brot mit einem Durchmesser von 10 cm. Diese Form verweist auf ein kultisches Brot, das den Zyklus der Jahreszeiten des Lebens symbolisiert. Das Fest wird am Ende des Winters gefeiert: Bis zum Jahr 1960 am ersten Fastensonntag und heute am vorletzten Sonntag vor dem ersten Montag im März.
Das Tonnekensbrand-Fest gehört zur größeren Tradition der vorchristlichen Feuerfeste und symbolisiert das Ende des Winters und die Rückkehr des Lichts und des Lebens.
Der Dekan, der Bürgermeister, die Schöffen und die Mitglieder des Gemeinderats trinken jeweils aus einem Kelch mit Wein einen kleinen lebenden Fisch. Es ist ebenfalls ein Symbol des neuen Lebens und ein Zeichen von Festlichkeit und Verbrüderung. Dieser letztgenannte Brauch wurde schon im Jahr 1599 von dem Humanisten Joost Schollaer in allen Einzelheiten beschrieben. Im Jahr 1997 hat die Tierschutzorganisation Gaia dagegen geklagt, jedoch hat die Stadtverwaltung in mehreren Gerichtsinstanzen Recht bekommen.
Sage
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wird eine historische Sage über den Ursprung des Krakelingen-Fests erwähnt. Als Geraardsbergen im Jahr 1381 von den Truppen Walters von Edingen belagert wurde und vom Aushungern bedroht war, soll sich die Stadtverwaltung eine List ausgedacht haben, um der Besatzung zu entgehen: Die letzten Reste Brot und Hering wurden als „Zeichen des Überflusses über die Stadtmauer geworfen, woraufhin die Belagerer entmutigt abzogen...
Beim historischen Umzug wird diese Sage der historischen Realität gegenüber gestellt, die für Geraardsbergen weniger schön war: Die Stadt wurde nämlich im Handumdrehen eingenommen und zerstört. Allerdings lebt die Sage hartnäckig weiter fort.